Prävention und Ansätze zur Überwindung von FGM

Prävention

Weibliche Genitalverstümmelung hat mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen und Geschlechterrollen zu tun. Beginnen Frauen und Männer, sich mit dem Thema FGM zu beschäftigen, kann dies bewirken, dass sie tradierte Geschlechterrollen kritisch reflektieren und in Frage stellen. Wichtig ist die Einbeziehung von Männern und männlichen Jugendlichen in die Arbeit zum Thema FGM.

Berufliche Arbeit, Teilhabe und ein eigenes Einkommen verhelfen Frauen zu mehr Unabhängigkeit und einer leichteren Integration, um für sich und ihre Töchter andere, bzw. neue Perspektiven entwickeln zu können.

Durch Empowerment von Frauen und Mädchen werden die Chancen gestärkt, sich aus Strukturen zu befreien, die sie im wahrsten Sinn des Wortes „beschneiden“.

FGM ist auf vielfältige Art und Weise in die jeweiligen Gesellschaften eingebunden. Häufig ist es schwer, Zugang zu den Betroffenen zu bekommen. Erfahrungsgemäß können nur mit ganzheitlichen Strategien Erfolge in der Beendigung der Praktik erzielt werden. Es ist wichtig, die betroffenen Communities in die Bearbeitung des Themas FGM einzubeziehen, besonders jene, die ein Interesse am Fortbestehen weiblicher Genitalverstümmelung haben. Dies kann nur unter Berücksichtigung des jeweiligen kulturellen Hintergrunds geschehen. Aufklärung und eine breite gesellschaftliche Diskussion führen zur Sensibilisierung für Themen wie Sexualität und FGM sowie zu Bewusstseins- und Einstellungsänderungen.

Auf jeden Fall müssen Frauen und Männer wissen, dass Genitalverstümmelung in Deutschland verboten ist.

Ärzt*innen können bei Geburtsvorbereitungen wichtige Aufklärungsarbeit leisten, um die spätere Genitalverstümmelung eines Mädchens zu verhindern. Allgemeinärzt*innen sollten Patientinnen auf das Thema ansprechen. Wichtig dabei ist, einfühlsam vorzugehen. Betroffene Frauen wissen häufig nur wenig oder nichts über ihre genitale Anatomie und die gesundheitlichen Auswirkungen von Genitalverstümmelung.

Pflegefachkräfte, Mediziner*innen, Psychologen*innen, Kindergärtner*innen, Lehrer*innen, Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen in Fürsorge/Sozialamt, Jugendamt, Vormundschafts-/Sorgerechtsstellen und Gesundheitsämtern haben in ihrem Arbeitsalltag mit Migrationsfamilien und damit auch mit FGM zu tun. Differenzierte Kenntnis des Themas wird einerseits zu einem im Bedarfsfall verständnisvollen und informierten Umgang mit Betroffenen beitragen und andererseits zu wirksamer Abschreckung, bzw. schlimmstenfalls Sanktionierung führen. Dabei sollte Information und Aufklärung immer vor Bestrafung gehen, weil Ersteres das Letztere langfristig überflüssig macht – wenn auch beides zunächst ergänzend praktiziert werden muss

Stichpunkte zum Thema

Ansätze zur Überwindung von FGM in den Herkunftsländern der Betroffenen

Gemeinsam mit internationalen und nationalen Akteuren strebt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit an, in Ländern mit hoher FGM-Prävalenz die Aktivitäten zur Überwindung von FGM in die Projekte verschiedener Sektoren (wie Gesundheit, Bildung und Gute Regierungsführung) und auf unterschiedlichen Ebenen zu integrieren. Ansätze, die vor allem die lokale Ebene ansprechen, werden gezielt mit der Stärkung der Zivilgesellschaft, Netzwerkbildung und Beratung auf nationaler Ebene kombiniert. Das umfasst z.B. die Unterstützung der Partnerregierung bei der Ausarbeitung von Gesetzen gegen FGM und deren Umsetzung oder bei der Integration der Thematik in nationale Schulcurricula. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit Schlüsselakteur*innen, die durch ihre besondere Stellung in der Gesellschaft Verhaltensänderungen begünstigen können, wie religiöse und traditionelle Führer, medizinisches Personal und Lehrer*innen.

Um der Komplexität des Themas weibliche Genitalverstümmelung gerecht zu werden, müssen soziale, politische, rechtliche und ökonomische Aspekte sowie Gesundheits- und Gender-Fragen in die Aktivitäten einbezogen werden – und sie müssen langfristig angelegt sein.

Im Folgenden werden Ansätze vorgestellt die in Herkunftsländern zur Anwendung kommen.

Solange die Mehrheit in einer Gemeinde die Praktik aufrechterhält, riskieren Einzelpersonen oder Familien, die ein Mädchen nicht beschneiden lassen, den gesellschaftlichen Ausschluss. Und Wandel vollzieht sich reibungsloser, wenn alle Mitglieder einer Gemeinde ein Thema aufgreifen, in die Lernprozesse einbezogen werden und sich an der Entscheidungsfindung beteiligen.

Es gibt verschiedene Ansätze, die Einstellungs- und Verhaltensänderungen auf Gemeindeebene fördern.

Dialogische Ansätze erlauben es den Mitgliedern einer Gemeinschaft, sich in einem geschützten Rahmen über bislang tabuisierte Themen wie Sexualität oder die weibliche Genitalverstümmelung auszutauschen. Generationendialoge können dabei unterstützen, dass nicht nur Schüler*innen, sondern auch deren Familien sowie Kinder und Jugendliche ohne Zugang zu formeller Schulbildung und deren Eltern und Großeltern erreicht werden. Bei diesem Ansatz steht nicht Aufklärung, sondern empathisches Zuhören im Vordergrund. Jungen und alten Menschen, Frauen und Männern ermöglicht er, über ihre Werte, Traditionen und Erwartungen zu reflektieren und abzuwägen, unter welchen Bedingungen es Veränderungen geben soll. Geschulte lokale Moderator*innen stellen sicher, dass eine respektvolle und konstruktive Annäherung stattfindet.

Der Wert-Zentrierte Ansatz (WZA) setzt beim gleichen Wert von Mann und Frau an und bearbeitet die Geschlechterstrukturen zur Auflösung geschlechtsspezifischer Gewalt, bezogen auf FGM in afrikanischen Kulturen/Communities mit Männern als die Hauptzielgruppe und mit Frauen. Der WZA arbeitet auf Anfrage und ermöglicht in seinen Seminaren und Workshops individuelle Entwicklungs- und Empowermentprozesse, die bezogen auf FGM zu nachhaltigem flächendeckendem Wandel führen, zum Wohle von Frau, Mann, Familie und Gesellschaft. Gewalt in Ehe und Familie und somit auch Armut werden reduziert und Menschenrechte für Frauen verwirklicht.

Bei Sensibilisierungsmaßnahmen zur Überwindung von FGM spielt das Thema Menschenrechte, insbesondere das Recht auf körperliche Unversehrtheit eine wichtige Rolle. Frauen über ihre Rechte aufzuklären, hat sich als effektiv erwiesen. Dies muss sensibel geschehen, da Argumente gegen FGM je nach kulturellem Kontext abstrakt und völlig unverständlich erscheinen können. In einjährigen, außerschulischen Grundbildungsprogrammen werden Dorfbewohnerinnen über Menschenrechte, Konfliktbearbeitung und Gesundheit von Frauen informiert. Sie tragen ihr neues Wissen in ihre Gemeinden und fördern so gesellschaftlichen Wandel.

FGM wird oft als religiöse Pflicht angesehen, auch wenn keine Religion sie vorschreibt. Mittlerweile engagieren sich in vielen muslimischen Ländern Afrikas religiöse Führer gegen die schädliche traditionelle Praktik. Sie haben auf Gemeindeebene starke Netzwerke und erfüllen als Meinungsführer in ihrer Gemeinschaft eine Vorbild- und Orientierungsfunktion. Aus diesem Grund werden sie in Sensibilisierungsmaßnahmen einbezogen.

FGM wird in manchen Kulturen als Teil eines Initiationsrituals praktiziert, das den Übergang des Mädchens zur Frau markiert. Alternative Rituale ersetzen die schädliche Tradition und bewahren zugleich die positiven Aspekte der Initiation. So erhalten die Mädchen und jungen Frauen in Zeremonien eine spezielle Ausbildung, ohne an ihren Genitalien verstümmelt zu werden. Dieser Ansatz ist erfolgreich, wenn er in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden entwickelt wird und diese auch kontinuierlich einbezogen werden.

Die meisten Projekte zur Überwindung von FGM haben ausgeprägte IEC-Komponenten (information, education, communication). Über FGM wird beispielsweise in Sensibilisierungen mittels Bildtafeln oder Theateraufführungen informiert. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass standardisierte Botschaften nur bedingt wirken und allenfalls Einstellungs- nicht aber Verhaltensänderungen zur Folge haben. Effektiver sind Ansätze, die gemeinsam mit den Zielgruppen entwickelt werden und das jeweilige Umfeld der Praktik berücksichtigen. Dennoch sind IEC-Komponenten bei Ansätzen zur Überwindung von FGM als flankierende Maßnahme wichtig. Sie können z.B. dialogische Ansätze ergänzen.

FGM wird in der Regel von Beschneiderinnen durchgeführt, die häufig auch als traditionelle Hebammen tätig sind. Einige Organisationen versuchen sie v.a. mit zwei Ansätzen anzusprechen: Aufklärung über die gesundheitlichen Risiken und das Angebot einer beruflichen Ausbildung für ein alternatives Einkommen. Die Praxis zeigt, dass beide Ansätze zumeist nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. Zwar geben einige Beschneiderinnen ihre Tätigkeit auf, die Nachfrage nach Beschneidungen verändert sich dadurch jedoch nicht. Viele gewinnen durch die Aufmerksamkeit sogar an Ansehen und Zulauf. Manche geben ihr Handwerk auch einfach an jüngere weibliche Familienmitglieder weiter. Die Wirkung dieses Ansatzes ist daher begrenzt.

Herangehensweisen und Initiativen zur Überwindung von FGM in Europa

Deutschland, Frankreich und Großbritannien zählen zu den Ländern der Europäischen Union, in denen laut Aussagen des UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR Mädchen und Frauen aus FGM-praktizierenden Ländern am häufigsten Asyl beantragen. Zum Dokument

Weibliche Genitalverstümmelung gewinnt so als Bestandteil der Flüchtlings- und Integrationspolitik zunehmend an Bedeutung.

Vor diesem Hintergrund wurde das von Amnesty International geleitete europaweite Netzwerk END FGM European Campaign (2009-2014) gegründet, aus dem 2014 das END FGM European Network hervorging, für das LebKom e.V. das deutsche Gründungsmitglied ist. Das Netzwerk setzt sich auf EU-Ebene mit Lobbyarbeit, Kampagnen und Projekten für die Beendigung von Genitalverstümmelung ein. Unter anderem wurde folgende Studie zu Asyl publiziert. Zum Dokument

In Zusammenarbeit mit nationalen sowie internationalen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen förderte die EU von 2013 bis 2018 u.a. die Projekte CHANGE und CHANGE Plus zur Abschaffung von FGM, die von TERRE DES FEMMES koordiniert wurden. Seit Herbst 2018 läuft das Folgeprojekt Let’s CHANGE im Auftrag der Europäischen Kommission. Auch in diesem Projekt werden Vertreter*innen aus Berliner Diaspora-Communities rekrutiert und zu Multiplikator*innen, d.h. CHANGE Agents ausgebildet. In Zusammenarbeit mit Plan International Deutschland in Hamburg, der niederländischen Organisation FSAN und der französischen NGO Equipop ist dies ein weiteres Projekt auf EU-Ebene.

2015 bewilligte die Europäische Kommission der Cyprus University of Technology (CUT) die Mittel für ein 24-monatiges Projekt zur Entwicklung einer europäischen webbasierten Wissensplattform. TERRE DES FEMMES war mit zehn europäischen Partnerorganisationen daran beteiligt. Sie richtet sich an verschiedene Berufsgruppen, die mit betroffenen und gefährdeten Mädchen und Frauen Kontakt haben. Ihr Ziel ist besserer Schutz durch Aufklärung und verbesserte Versorgung der Betroffenen. Die webbasierte Plattform ist seit September 2017 kostenlos in neun Sprachen verfügbar unter www.uefgm.org.

Stichpunkte zum Thema

Großbritannien

FGM fand in Großbritannien bereits Beachtung, bevor 1985 eine entsprechende Gesetzgebung in Kraft trat, als somalische und sudanesische Flüchtlinge mit Typ-III-FGM zur Geburt ins Krankenhaus kamen – eine Entwicklung, auf die die Mediziner*innen zunächst nicht vorbereitetet waren. Die erste gezielte Versorgung von Frauen mit FGM war in der African Well Woman Clinic möglich, die 1993 von FORWARD und dem Northwick Park Hospital gegründet wurde. Die Klinik entwickelte medizinische Leitlinien, die auch noch heute Gültigkeit haben und war Vorbild für 25 weitere solcher Kliniken in ganz Großbritannien, die betroffene Frauen und Mädchen versorgen.

In den letzten Jahren engagieren sich immer mehr junge Menschen gegen FGM, die durch Projekte wie Integrate Bristol, Youth for Change und Young People Speak Out ermutigt werden. Das Ergebnis ist eine Änderung des Diskurses über FGM in Großbritannien, insbesondere unter Jugendlichen aus den betroffenen Communities.

Eine andere Initiative zur Überwindung von FGM ist die Bristol FGM Safeguarding Group, eine organisationsübergreifende Kooperation, die eine integrierte Antwort auf FGM bieten will und sich auf die am meisten betroffenen Communities konzentriert. Das Bristol-Modell umfasst wichtige Akteure aus den Bereichen Gesundheit, Bildung, Polizei und Soziales sowie den Freiwilligen- und NGO-Sektor. Zu den Strategien gehören das Empowerment von Jugendlichen und Frauen und das Engagement der Communities selbst, politische Maßnahmen sowie eine Beratungsstelle.

Frankreich

Sensibilisierungskampagnen und öffentliche Berichterstattung über Gerichtsverfahren (ca. 40) haben sich unmittelbar auf die Verringerung der FGM-Praxis in Frankreich ausgewirkt. Es wurden Beschneiderinnen, Mütter und Väter zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Diese Entwicklung ist dem Engagement von Aktivistinnen zu verdanken, die bereits in den 80er Jahren FGM-Fälle vor Gericht brachten. Mütter- und Kinderschutzzentren spielten damals ebenfalls eine wichtige Rolle dabei, betroffene Frauen und Mädchen vor FGM zu schützen.

Frankreich war auch Vorreiter bei der Unterstützung von betroffenen Frauen, v.a. was die chirurgische Rekonstruktion betrifft, die heute von mehreren multidisziplinären Zentren angeboten und deren Kosten vom Staat erstattet wird.

2013 haben sich Aktivist*innen zu einer großen Mobilisierungskampagne mit dem Titel Excision, parlons-en! zusammengetan. Ein Jahr später entstand daraus ein nationales Netzwerk.

Zum Netzwerk Excision, parlons-en! gehört u.a. das Projekt „Protéger la Prochaine Génération“ (Schutz der nächsten Generation) von Equilibres et Populations. Es trägt zur Überwindung von FGM in Mali (Distrikt Kayes) und im Großraum Paris bei, indem Mitglieder der malischen Diaspora mit den Gemeinden in den Herkunftsdörfern vernetzt werden. Auf diese Weise wird der Prozess der Bewusstseins- und Verhaltensänderung in Mali und Frankreich gestärkt.

Niederlande

Auch in den Niederlanden ist FGM mit bis zu 16 Jahren Haft unter Strafe gestellt. Vor mehr als zehn Jahren wurde der Interventionsketten-Ansatz eingeführt. Er zielt auf die Zusammenarbeit einer Reihe von Institutionen, um Prävention, Schutz, Versorgung und Strafverfolgung im Kontext von FGM zu gewährleisten. Grundlage dafür sind sektorspezifische Leitlinien und andere Instrumente, wie z.B. ein offizielles Dokument der Regierung, das Eltern nach der Geburt einer Tochter bekommen und das von Beratungsstellen und Schulärzt*innen verteilt wird. Es ist in der jeweiligen Muttersprache verfasst und besagt, dass FGM in den Niederlanden verboten ist. Dieses Dokument kann Eltern Rückendeckung geben, wenn sie ihre Entscheidung gegen FGM in ihrer Familie, Community oder auch in ihrem Herkunftsland verteidigen müssen.

Die Beteiligung an der Interventionskette ist umfassend, zu den Akteuren gehören die Föderation der somalischen Vereine in den Niederlanden (FSAN), die NGO Pharos, öffentliche Einrichtungen, Jugendgesundheitsdienste (GGD), medizinische Fachkräfte, Kinderschutzinstitutionen, Schlüsselpersonen FGM-praktizierender Gemeinden und Community-basierte Organisationen. Das grundlegende Engagement findet an der Basis statt, über Community-Mitglieder, die sich dazu verpflichtet haben, alle Formen von FGM zu beenden. Sie arbeiten in ihren Gruppen und teilen Informationen zu FGM bei Treffen und Hausbesuchen. Zudem sind sie die Bindeglieder zwischen den FGM-praktizierenden Communities und Fachkräften verschiedener Berufsgruppen.

Herangehensweisen und Initiativen zur Überwindung von FGM in Deutschland

2013 wurde FGM als §226a in das Strafgesetzbuch aufgenommen und gilt damit als schwere Körperverletzung, die mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden kann.

Im Folgenden einige Beispiele für unverbindliche, von einzelnen Organisationen erarbeitete Empfehlungen für den Umgang mit Mädchen und Frauen, die von FGM betroffen sind:

Empfehlungen zum Umgang mit Patientinnen nach weiblicher Genitalverstümmelung, 25.11.2005, Überarbeitung: April 2016. www.bundesaerztekammer.de/presse/pressemitteilungen/news-detail/baek-empfehlungen-zum-umgang-mit-patientinnen-nach-weiblicher-genitalverstuemmelung-ueberarbeitet/

Genitalverstümmelung an Mädchen und Frauen – Hintergründe und Hilfestellung für professionell Pflegende, 2008. www.frauenrechte.de/online/images/downloads/fgm/DBfK-Broschuere-FGM.pdf

Weiblicher Genitalverstümmelung begegnen: Ein Leitfaden für Fachkräfte in sozialen, pädagogischen und medizinischen Berufen, 2014. change-agent.eu/index.php/about-us/publications/change-publications

Zivilgesellschaftliches Engagement

Zahlreiche staatliche, städtische und zivilgesellschaftliche Organisationen engagieren sich seit Jahren für die Überwindung von FGM.

2010 hat FIM in Frankfurt am Main mit einem kommunal fokussierten Arbeitsansatz ein spannendes neues Feld in Deutschland betreten. Gesundheit vor Ort, Hilfe bei Gewalt & in Notlagen (S. 32 ff). In der Arbeit zum Thema weibliche Genitalverstümmelung war insbesondere die partnerschaftliche Verknüpfung der Arbeit einer NRO mit dem Engagement afrikanischer Communities, in der Verbindung von allgemeiner Menschenrechtsarbeit mit Prävention und Opferschutz bei FGM zu dieser Zeit Neuland. Siehe dazu auch den FIM-Abschlussbericht (2013). Auf Anfrage bietet FIM zu FGM und weiteren Themen sowohl Fortbildungen für Fachkräfte als auch Empowermentarbeit mit Geflüchteten an.

Das Wissenschafts- und Praxisinstitut CENTER for PROFS in Fulda bildet Fachkräfte zu Gender-Equality-Expert*innen aus und entwickelt berufs- und zielgruppenspezifische Aus-, Fort- und Weiterbildungsprogramme. Unter seinem Dach entstand der Wert-Zentrierte Ansatz (WZA) von Prof. Dr. Muthgard Hinkelmann-Toewe, die für ihr Engagement zur Überwindung von FGM vom Europaparlament für den Menschenrechtspreis nominiert wurde. Der WZA wird im FULDA-MOSOCHO-PROJEKT von LebKom e.V. seit 2002 erfolgreich angewandt. Wie daraus ein flächendeckender kultureller Wandel entsteht, zeigt das Projekt in Kenia . Es wurde in der Studie 2010 des UNICEF Innocenti Research Centre für Afrika mit vier weiteren Projekten als best practice ausgewiesen: UNICEF, Innocenti Research Centre, The Dynamics of Social Change towards the Abandonment of Female Genital Mutilation/Cutting in Five African Countries, 2010.

LebKom führt Fortbildungen für Fachpersonal durch, wie zum Beispiel: Fortbildung für Fachkräfte „Mädchen mit dem WZA vor der weiblichen Genitalverstümmelung schützen – auch in Deutschland“; Fortbildung für Fachkräfte und Ehrenamtliche „Integration und Gewaltprävention in der Flüchtlingsarbeit: Gleichstellung von Mann und Frau“; Fortbildung für Lehrkräfte „Weibliche Genitalverstümmelung in Afrika – WIE ein kultureller Wandel zu erreichen ist – auch ein Thema für meinen Unterricht?“ Einführung, Diskussion und Beispiele für einen perspektivvollen Unterricht. Die Fortbildungsangebote sind für Gruppen auch bundesweit buchbar. Weitere Informationen

Lebkom erstellt auch Unterrichtsmaterialen für Schulen, gestaltet Unterrichtssequenzen in Zusammenarbeit mit Lehrkräften in Schulen und hat zum Thema eine Wanderausstellung mit dem Titel „Wonder of the Female Body“ entwickelt.

Maisha e.V. – African Women in Germany beschäftigt sich mit FGM-Aufklärung, Informationsvermittlung, Beratung und Prävention – von Afrikanerinnen für Afrikanerinnen. Der Verein bietet Weiter-/ Fortbildungen und Informationen an, durch Vorträge, Workshops, Konferenzen sowie Einzelberatungen. Zielgruppen sind Behörden, afrikanische Gemeinden und Vereine. Die Themen Gesundheitsvorsorge, FGM und HIV/Aids stehen seit 2015 bei Maisha im Vordergrund. Da bereits Vertrauen aufgebaut ist, können diese Themen gut in Fortbildungen integriert werden. Für Maisha ist wichtig, dass die Aufklärung – in Deutschland und den Herkunftsländern – auf lokaler sowie regionaler Ebene, in Städten und auf dem Land stattfindet. Das neue Projekt „Be clever be save“ fokussiert auf Informationskampagnen in den afrikanischen Communities zu sexuell übertragbaren Infektionen/ STI, wie zum Beispiel Trichomoniasis, Hepatitis und HIV/AIDS.

Weitere hessische Frauenrechtsorganisationen wie Forward, das 1. Mädchenhaus Kassel und Nala haben langjährige Erfahrung mit Projekten gegen FGM, entwickeln Community-basierte Ansätze und führen Beratungen, Fortbildungen und Sensibilisierungsveranstaltungen durch.

Auch TERRE DES FEMMES hat Unterrichtsmaterialien für Schulen entwickelt und arbeitet eng mit betroffenen Communities in Berlin und Brandenburg zusammen. Dabei bildet TERRE DES FEMMES sogenannte „CHANGE Agents“ im Rahmen einer sechsmonatigen Schulung zu verschiedenen Dimensionen von weiblicher Genitalverstümmelung aus, die anschließend innerhalb ihrer eigenen Communities zu der Praktik aufklären und sensibilisieren. Darüber hinaus bietet TERRE DES FEMMES Fortbildungen für Fachkräfte aus pädagogischen und medizinischen Berufen (Sozialarbeiter*innen, Lehrer*innen, Erzieher*innen, Hebammen, Ärzt*innen etc.) an, die in Zusammenarbeit mit Expert*innen aus den betroffenen Communities (sog. „CHANGE Trainers“) durchgeführt werden.

Integra ist ein bundesweites Netzwerk, das aus allen Organisationen in Deutschland besteht, die sich für die Überwindung der weiblichen Genitalverstümmelung einsetzen. Es wurde im Jahr 2000 gegründet. Die derzeit 28 Organisationen engagieren sich für den Schutz der hier lebenden Mädchen und Frauen vor weiblicher Genitalverstümmelung und für die Abschaffung von FGM in den Herkunftsländern. Dabei ist die Zusammenarbeit mit Frauen und Männern, die aus Ländern stammen, in denen FGM praktiziert wird und die sich gegen diese Praktik engagieren, ein zentraler Aspekt der Arbeit von Integra. 2016 hat Integra, in Zusammenarbeit mit der Ramboll Management Consulting GmbH, eine vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Studie zu FGM in Deutschland durchgeführt. Zur Studie

Links zum Thema

Bund-Länder-NRO-Arbeitsgruppe

Die Bund-Länder Arbeitsgruppe setzt sich zusammen aus Vertreter*innen der Bundesministerien für Gesundheit, des Innern, für auswärtige Angelegenheiten, Justiz und Verbraucherschutz, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Bundesländer, der deutschen Ärztekammer und des Netzwerkes INTEGRA sowie dem Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Die Aufgabe der Arbeitsgruppe ist es, Strategien zur Überwindung von FGM zu entwickeln, Erfahrungen auszutauschen und auf dem neusten Stand von aktuellen Entwicklungen zu bleiben. Die Arbeitsgruppe arbeitet unter den Zielen der EU-Kommission hinsichtlich der Abschaffung von FGM zusammen (EU Commission 2013). Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Abteilung für Kinder und Jugendliche hat seit 2014 die Leitung inne.

Runde Tische auf Länderebene

Einige Landesregierungen (wie Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Bremen) haben Runde Tische mit Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und staatlichen Behörden eingeführt. Ziele der Runden Tische sind die Prävention und verbesserte Versorgung Betroffener in der Region durch Vernetzung, Austausch von Informationen, Entwicklung von Präventionsstrategien und einer lokalen “Interventionskette”.